Erstattung von Ausbildungskosten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Eine einzelvertragliche Abrede über die Erstattung von Ausbildungskosten, die den Arbeitnehmer auch bei einer vorzeitigen Kündigung des Arbeitgebers zur Rückzahlung verpflichtet, entspricht nur dann den Anforderungen von Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn der Arbeitnehmer die Kündigungsentscheidung und damit das Fehlschlagen der Bildungsinvestitionen des Arbeitgebers durch ein vertragswidriges Verhalten veranlasst hat.
Dazu folgende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts:
Die Parteien begründeten am 1.1.2002 ein Arbeitsverhältnis, während sich die Arbeitnehmerin bereits in einer Weiterbildungsmaßnahme befand. Der Arbeitgeber verpflichtete sich, ab Beginn des Vertragsverhältnisses die für die Weiterbildung anfallenden Gebühren zu übernehmen. Der Arbeitsvertrag enthielt folgende Rückzahlungsklausel: "Sollte das Arbeitsverhältnis während der ersten 24 Monate enden, hat der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber gezahlten Lehrgangsgebühren und dass für die nachgewiesene Teilnahme gezahlte Gehalt an den Arbeitgeber zurückzuzahlen."
Am 26.6.2002 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis noch innerhalb einer vereinbarten Probezeit. Seine (Wider-)Klage auf Erstattung der Ausbildungskosten wurde vom Bundesarbeitsgericht abgewiesen. Zur Begründung führte das Bundesarbeitsgericht aus, das Interesse des Arbeitgebers, der seinem Arbeitnehmer eine Aus- oder Weiterbildung finanziert, gehe dahin, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig für den Betrieb nutzen zu können. Dieses grundsätzlich berechtigte Interesse gestatte es dem Arbeitgeber, als Ausgleich für seine finanziellen Aufwendungen von einem sich vorzeitig abkehrenden Arbeitnehmer die Kosten der Ausbildung ganz oder zeitanteilig zurückzuverlangen. Kündige der Arbeitgeber hingegen innerhalb der Bindungsfrist, liege es zunächst an ihm, dass seine Bildungsinvestitionen ins Leere gehen. Sei er trotz der aufgewendeten Kosten nicht bereit oder in der Lage, dem Betrieb die Qualifikation des Arbeitnehmers zu erhalten, entfalle die sachliche Grundlage für eine Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers. Eine Rückzahlungsklausel stelle nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der Arbeitnehmer in der Hand habe, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen. Eine Rückzahlungsverpflichtung kommt nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nur dann in Betracht, wenn ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers die Kündigung des Arbeitgebers vor Ablauf der Bindungsfrist veranlasst hat. Ob ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers berechtigten Anlass für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber gegeben hat, ist bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes an den Kriterien des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu messen. Hat der Arbeitgeber die Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers ausgesprochen, die eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial rechtfertigen und auf Grund derer ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach § 626 Abs. 1 BGB nicht zuzumuten ist, entspricht die Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers stets einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers. Findet das KSchG keine Anwendung, weil das Arbeitsverhältnis nicht länger als sechs Monate bestanden hat oder es sich um einen Kleinbetrieb im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG handelt, kommt es nicht darauf an, ob die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses den Anforderungen des § 1 Abs. 2 KSchG genügt. Entscheidend ist dann, ob ein verständiger Arbeitgeber, dem grundsätzlich am Erhalt der Bildungsinvestitionen für seinen Betrieb gelegen ist, das vertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers zum Anlass genommen hätte, die arbeitsvertraglichen Beziehungen zu beenden. Es gilt dann der Prüfungsmaßstab des § 242 BGB. Nur bei einem Verstoß gegen Treu und Glauben entfaltet die Rückzahlungsregelung keine Rechtswirkungen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.6. 2004, 6 AZR 383/03
Bestätigt hat das Bundesarbeitsgericht dies noch einmal im Jahr 2006.
Rückzahlungsklausel betreffend Ausbildungskosten ohne Anknüpfung an den Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwirksam
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass solche Rückzahlungsklauseln unwirksam sind, wenn sie nicht an den Grund für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses anknüpfen und nach unterschiedlichen Gründen differenzieren.
Im Arbeitsvertrag der Parteien war vereinbart, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine notwendige Ausbildung finanzieren sollte. Hinsichtlich der diesbezüglich entstehenden Kosten enthielt der Arbeitsvertrag folgende Regelung:
„Die voraussichtlichen Ausbildungskosten werden ca. 15.000,- DM betragen. Sie gelten für die Dauer von 2 Jahren ab dem Ausbildungsende als Vorschuss. Wird das Arbeitsverhältnis vor Ablauf dieser Zeit beendet, verpflichtet sich der Mitarbeiter, den Betrag, der nach abgeschlossener Ausbildung genau ermittelt und dem Mitarbeiter gesondert mitgeteilt wird, anteilig zurück zu zahlen. Dabei wird für jeden Monat 1/24 verrechnet."
Der Arbeitnehmer kündigte das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der 2-Jahresfrist und wurde vom Arbeitgeber auf anteilige Rückzahlung der Ausbildungskosten in Anspruch genommen. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die o.g. Klausel den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige und gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sei, weil es nach der Klausel auf den Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ankomme. Eine Auslegung der Klausel dahingehend, dass sie nur für den Fall gelte, dass das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer selbst oder wegen eines von ihm zu vertretenden Grundes durch den Arbeitgeber beendet werde, scheide aus.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.04.2006 – 9 AZR 610/05
Rückzahlungsklauseln betreffend Ausbildungskosten sollten daran anknüpfen, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Abschluss der Ausbildung kündigt oder die arbeitgeberseitige Kündigung aus vom Arbeitnehmer zu vertretenden Gründen, also verhaltensbedingt, erfolgt.
Arbeitsvertragsklauseln – auch betreffend die Rückzahlung von Ausbildungskosten – sind regelmäßig Allgemeine Geschäftsbedingungen und unterliegen damit wie alle Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB.
Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
Diese Regelung als Prüfungsmaßstab für Rückzahlungsklauseln hat bereits wiederholt dazu geführt, dass Vertragsklauseln über die Rückzahlung bzw. Erstattung von Ausbildungskosten als unwirksam angesehen wurden.
Verstoß gegen das Transparenzgebot bei unzureichender Angebe der Kosten
Eine Klausel über die Erstattung von Ausbildungskosten genügt dem Transparenzgebot in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nur dann, wenn die entstehenden Kosten dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren angegeben sind. Zumindest die Art und die Berechnungsgrundlagen für die Fortbildungskosten müssen angegeben werden.
Ist eine Vertragsklausel über die Rückzahlung von Fortbildungskosten wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, bleibt der Fortbildungsvertrag im Übrigen Wirksam. Der Arbeitgeber hat regelmäßig keinen Anspruch auf Erstattung der Fortbildungskosten nach §§ 812 ff. BGB.
BAG, Urteil vom 21.8.2012, 3 AZR 698/10
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