Vertragsstrafe

Vertragsstrafenabreden in Formularverträgen

Vertragsstrafenabreden sind in Arbeitsverträgen weit verbreitet und beschäftigen den Fachanwalt für Arbeitsrecht damit immer wieder, von der Arbeitsvertragsgestaltung bis hin zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Durch das Inkrafttreten weitreichender Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zum 01.01.2002 ist deren Zulässigkeit jedoch fragwürdig geworden. Bis zum 01.01.2002 war das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Arbeitsverträge nicht anwendbar. Zum 01.01.2002 wurde dieses Gesetz jedoch in das BGB eingegliedert und zugleich die Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht fallengelassen. Nunmehr unterliegen auch Arbeitsverträge der sog. "AGB-Kontrolle". Es sind lediglich im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen.

 

Grundsätzliche Zulässigkeit von Vertragsstrafenabreden in Arbeitsverträgen

Jetzt hat das Bundesarbeitsgericht sich erstmalig mit einer Vertragsstrafenabrede beschäftigt, die gem. § 309 Nr. 6 BGB ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts unzulässig wäre. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass aus der angemessenen Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 BGB die grundsätzliche Zulässigkeit von Vertragsstrafenabreden folgt. Die Unwirksamkeit von Vertragsstrafenabreden in Formulararbeitsverträgen könne sich jedoch aus § 307 BGB ergeben. Danach können Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sein, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Dies ist bei einer Vertragsstrafe von einem Monatsgehalt nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts noch nicht der Fall. Ein Monatsgehalt ist nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts generell als Maßstab für die Bemessung einer angemessenen Vertragsstrafe geeignet.

Beträgt die Kündigungsfrist in der Probezeit allerdings nur zwei Wochen, ist eine Vertragsstrafe von einem Monatsgehalt nach dem Urteil in der Regel unangemessen hoch. Ist eine Vertragsstrafe in einem Formulararbeitsvertrag zu hoch, kommt eine Verringerung auf einen noch angemessenen Betrag durch das Gericht grundsätzlich nicht in Betracht.

Bundesarbeitsgericht, NZA 2004, 727

 

Nachdem sich auf Grundlage der vorgenannten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts die Ansicht weitgehend durchgesetzt hatte, ein Bruttomonatsgehalt sei die Obergrenze für zulässige Vertragsstrafen in Formulararbeitsverträgen, hat das Bundesarbeitsgericht dann mit Urteil vom 25.09.2008 entschieden, es gebe keine generelle Höchstgrenze für eine arbeitsvertraglich vereinbarte Vertragsstrafe. Die §§ 307 Abs. 1 BGB und 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB ließen es nicht zu, eine generelle Höchstgrenze in Höhe eines Bruttomonatsgehalts für eine wirksame Vertragsstrafe im Rahmen eines formularmäßigen Arbeitsvertrages festzuschreiben.

Erforderlich sei vielmehr eine Interessenabwägung im Einzelfall. Dabei sei zu berücksichtigen, ob die Vertragsstrafe gegen die Verletzung eines Wettbewerbsverbotes schützen solle oder gegen eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer. Auch sei die finanzielle Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmern zu berücksichtigen. Arbeitnehmer, die über hohe Einkommen verfügten, seien in der Lage Vermögen zu bilden und würden von Vertragsstrafen, die über einen Bruttomonatsgehalt hinaus gehen, nicht immer in ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt.

Im konkreten Einzelfall hat das Gericht dann allerdings denkbare Fallkonstellationen für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer gefunden, in denen dem Gericht die vereinbarte Vertragsstrafe von drei Bruttomonatsgehältern als unangemessen hoch erschien und entsprechend die Vertragsformulierung, die die Vertragsstrafe vorsah, für unwirksam erachtet.

Festzuhalten bleibt nach dieser Entscheidung, dass es zwar keine generelle Obergrenze in Höhe eines Bruttomonatsgehalts für Vertragsstrafenabreden in Formularverträgen gibt, die Vereinbarung höherer Vertragsstrafen allerdings ein erhebliches Risiko der Unwirksamkeit der Vertragsstrafenvereinbarung in sich birgt. Denn das Ergebnis der Interessenabwägung im Einzelfall ist schwer zu prognostizieren.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.09.2008, 8 AZR 717/07

 

Verstoß gegen das Transparenzgebot

Vertragsstrafenabreden weisen allerdings auch andere Fallstricke auf. Insbesondere müssen sie in jeder Hinsicht unmissverständlich formuliert sein.

Einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.08.2007 lag folgende Formulierung im Arbeitsvertrag zugrunde:

"11. Geheimhaltung und Wettbewerbsverbot

  1. Der Mitarbeiter verpflichtet sich, über sämtliche geschäftlichen Vorgänge und Geschäftsbeziehungen von D sowie der mit D verbundenen Unternehmen strengstes Stillschweigen zu bewahren. Diese Verschwiegenheitspflicht besteht auch nach Beendigung des Anstellungsvertrages fort. Bei Verletzung der Verschwiegenheitspflicht kann D eine Vertragsstrafe in Höhe eines durchschnittlichen Bruttoeinkommens verlangen. Unberührt hiervon bleibt die Möglichkeit, einen weitergehenden Schaden geltend zu machen.
  2. Der Mitarbeiter verpflichtet sich, während der Dauer dieses Vertrages bei keinem Konkurrenzunternehmen irgendeine Tätigkeit oder Beteiligung - sei es selbständig, unselbständig, beratend oder in einer sonstigen Weise unterstützend, weder mittelbar noch unmittelbar - auszuüben, ohne hierfür vorab die schriftliche Genehmigung von D eingeholt zu haben. Dem Mitarbeiter ist es auch untersagt, auf eigene Rechnung Tätigkeiten im Geschäftsbereich von D anzubieten oder Dritte hierbei zu unterstützen. Eine Verletzung gegen das Wettbewerbsverbot berechtigt D zur außerordentlichen Kündigung. Zudem kann D unbeschadet ihrer sonstigen Rechte für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei durchschnittlichen Brutto-Monatseinkommen verlangen.
  3. Im Falle einer dauerhaften Verletzung der Verschwiegenheitspflicht oder des Wettbewerbsverbotes gilt jeder angebrochene Monat als eine erneute Verletzungshandlung."

         

    Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Ziel, sich selbständig zu machen, zum 31. Juli 2005. Daraufhin stellte ihn die Beklagte ab dem 5. Juli 2005 von der Arbeitsleistung frei. Wegen eines unstreitig am 20. Juli 2005 durch den Kläger begangenen Wettbewerbsverstoßes kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ihrerseits mit Schreiben vom 25. Juli 2005, dem Kläger zugegangen am 27. Juli 2005, fristlos.

    Mit Anwaltsschreiben vom 22. Juli 2005 forderte die Beklagte vom Kläger wegen aus ihrer damaligen Sicht mindestens zweier Fälle des Verstoßes gegen das arbeitsvertragliche Wettbewerbsverbot die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 19.337,76 Euro (zweimal zwei Bruttomonatseinkommen á 4.834,44 Euro).

    Der Arbeitnehmer klagte dann restliche Vergütungsansprüche ein, während der Arbeitgeber insoweit mit dem Vertragsstrafenanspruch die Aufrechnung erklärte und den verbleibenden Restbetrag mit einer Widerklage geltend machte.

    Das Bundesarbeitsgericht entschied letztlich, dem Arbeitgeber stehe die Vertragsstrafe nicht zu, weil die vertragliche Abrede nicht hinreichend transparent sei.

    Nach Ziff. 11 Abs. 2 Satz 4 des Arbeitsvertrages könne die Beklagte "für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei durchschnittlichen Brutto-Monatseinkommen verlangen". In Ziff. 11 Abs. 3 des Arbeitsvertrages heiße es dann: "Im Falle einer dauerhaften Verletzung der Verschwiegenheitspflicht oder des Wettbewerbsverbotes gilt jeder angebrochene Monat als eine erneute Verletzungshandlung."

    Aus der Zusammenschau dieser beiden Vertragsbestimmungen werde nicht erkennbar, wann eine sog. "dauerhafte Verletzung" vertraglicher Pflichten vorliegen soll, die nach Ziff. 11 Abs. 3 des Arbeitsvertrages zu einer monatlich erneut fällig werdenden Vertragsstrafe führe und wann ein einmaliger Vertragsverstoß gegeben sein solle, für den nur eine einmalige Vertragsstrafe nach Ziff. 11 Abs. 2 Satz 4 des Arbeitsvertrages verwirkt sein soll. So werde insbesondere nicht deutlich, wie der für Verstöße gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot geradezu typische Fall zu behandeln sei, dass der Arbeitnehmer für ein Konkurrenzunternehmen tätig wird, indem er für dieses Tätigkeiten verrichtet oder diesem Kunden vermittelt. Ob dann für jeden Einzelfall des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei oder mehr "durchschnittlichen Brutto-Monatseinkommen" verwirkt sein solle oder ob sich dies als "dauerhafte Verletzung" des Wettbewerbsverbotes i.S.d. Ziff. 11 Abs. 3 des Arbeitsvertrages darstelle, so dass für jeden Monat, in dem eine oder mehrere Vertragsverletzungen begangen wurden, nur einmal die Vertragsstrafe von zwei Bruttomonatseinkommen fällig werde. Gleiche Unklarheiten träten im Falle einer "Beteiligung" des Arbeitnehmers an einem Konkurrenzunternehmen auf. Eine solche "Beteiligung" erstrecke sich typischerweise über einen längeren, sich über mehrere Monate erstreckenden Zeitraum. Aus Ziff. 11 Abs. 2 Satz 4 i.V.m.. Ziff. 11 Abs. 3 des Arbeitsvertrages ergebe sich nicht mit hinreichender Deutlichkeit, ob eine solche "Beteiligung" als einmaliger Fall der Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsverbot nach Ziff. 11 Abs. 2 Satz 4 oder als "dauerhafte Verletzung des Wettbewerbsverbotes" i.S.d. Ziff. 11 Abs. 3 des Arbeitsvertrages zu bewerten sei.

    Letztlich erklärte das Bundesarbeitsgericht die Vertragsstrafenvereinbarung mit dieser Begründung wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot insgesamt für unwirksam.

    Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.8.2007, 8 AZR 973/06